Quad9 legt Widerspruch gegen deutsches Gerichtsurteil von Sony Music ein
Quad9 legt Widerspruch gegen deutsches Gerichtsurteil von Sony Music ein
Im Juni wurde Quad9 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg (310 O 99/21) zugestellt. Diese besagt, dass Quad9 die Auflösung bestimmter Domainnamen einstellen muss, die nach Ansicht von Sony Music Entertainment Germany GmbH an der Verletzung von Urheberrechten an Inhalten beteiligt sind, an denen Sony Music Rechte geltend macht. Quad9 steht in keinerlei Beziehung zu den Parteien, die an der Verbreitung oder Verlinkung der Inhalte beteiligt waren. Quad9 fungiert lediglich als rekursiver Standard-DNS-Resolver für Nutzerinnen und Nutzer in Deutschland, um diese und andere Domainnamen aufzulösen. Da die Schweiz (wie alle EU- und EFTA-Staaten) das Lugano-Übereinkommen unterzeichnet hat, können in Deutschland ansässige Organisationen in zivilrechtlichen Fragen wie dem Urheberrecht grenzüberschreitend rechtliche Ansprüche gegenüber Organisationen geltend machen, die in der Schweiz ansässig sind.
Ein kurzer Überblick über Quad9: Wir sind eine gemeinnützige Stiftung mit Sitz in der Schweiz, die kostenlose rekursive DNS-Auflösung mit optionaler zusätzlicher Malware-Filterung anbietet. Wir haben kein Anmeldeverfahren und der Dienst wird kostenlos angeboten. Unsere Systeme werden von schätzungsweise mehreren Millionen Endnutzerinnen und -nutzern verwendet, darunter Einzelpersonen, Schulen, Internet-Provider, Regierungsbehörden und andere Netzwerke, die sich auf uns verlassen, wenn es um den grundlegenden Schutz ihrer IT-Sicherheit geht. Wir bieten unsere Dienste von Servern aus an, die sich in den meisten europäischen Ländern und weltweit an mehr als 180 Standorten in 92 Ländern befinden. Unser Service filtert optional Malware- und Phishing-Seiten auf der Grundlage von Listen, die wir von einer Reihe von Threat Intelligence-Partnerorganisationen erhalten. Wir blockieren keine Inhalte, die nicht auf einer potenziellen Gefährdung der Endnutzerinnen und -nutzer beruhen, und wir wenden diese Schutzmaßnahmen für alle unsere Nutzerinnen und Nutzer an allen Standorten gleichermaßen an. Unser Dienst sammelt keine persönlichen Daten und verkauft sie auch nicht weiter, da der Datenschutz ein wichtiger Bestandteil unserer Mission ist, die IT-Sicherheit, den Schutz der Privatsphäre und die Leistungsfähigkeit des Internets zu verbessern.
Quad9 duldet keine Urheberrechtsverletzungen und unterstützt Kreative und Rechteinhaber in ihrem Eigentum an Inhalten und der Verhinderung von Rechtsverletzungen. Wir sind jedoch der festen Überzeugung, dass rekursives DNS der falsche Ort für den Versuch der Rechtsdurchsetzung ist, im besten Fall zu Fehlern führt und im schlimmsten Fall der Sicherheit der Endnutzerinnen und -nutzer zuwiderläuft sowie die Stabilität und das Vertrauen in das globale Internet beschädigen kann.
Bei dieser einstweiligen Verfügung ist die Website, deren Sperrung gefordert wird, nicht direkt der Ort, an dem die verletzenden Inhalte zu finden sind – sie ist lediglich eine Sammlung von Links, die auf andere Websites verweisen, unter denen die Inhalte zum Herunterladen angeboten werden. Unserer Ansicht nach ist es höchst bedenklich, dass hier eine Organisation in Anspruch genommen wird, die von der tatsächlich rechtsverletzenden Partei extrem weit entfernt ist. Jeder Präzedenzfall, der mit diesem Gerichtsverfahren geschaffen wird, wäre weit genug gefasst, um in einer beträchtlichen Anzahl von technischen Umgebungen Anwendung zu finden, nicht nur in Bezug auf DNS.
Der Widerspruch
Der Widerspruch, den wir gegen die einstweilige Verfügung einlegen, ist sehr umfangreich und enthält viele verfahrensrechtliche und gerichtsstandsbezogene Argumente, die unserer Meinung nach allesamt triftige Gründe für eine Aufhebung der einstweiligen Verfügung sind oder diese Gründe unterstützen. Zusätzlich zu den Feinheiten der juristischen Diskussion (aber nicht weniger wichtig) führen wir die folgenden wesentlichen inhaltlichen Gründe an, warum wir glauben, dass diese einstweilige Verfügung aufgehoben werden sollte. Diese sind über den Rahmen dieses speziellen Falles hinaus von grundsätzlicher Bedeutung:
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Anbieter von rekursiven DNS-Auflösungsdiensten wie Quad9 sind unserer Ansicht nach durch das deutsche Telemediengesetz und die EU-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vor der Haftung für Urheberrechtsverletzungen Dritter geschützt.
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Da fast alle Access-Provider auch rekursive DNS-Auflösung anbieten, würde der bestehende Haftungsausschluss für Internetzugangsanbieter vollständig ausgehöhlt, wenn Access-Provider in ihrer Eigenschaft als DNS-Dienst für Urheberrechtsverletzungen Dritter in Anspruch genommen werden könnten.
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Quad9 wurde gezielt adressiert, obwohl andere Parteien für die mutmaßliche Rechtsverletzung verantwortlich gemacht werden könnten, die leichter und verhältnismäßiger gegen diese vorgehen könnten.
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Die Umsetzung der DNS-Sperrung stellt für Quad9 eine unverhältnismäßige Belastung in rechtlicher und technischer Hinsicht dar und gefährdet den Fortbestand seines Angebots.
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Private Unternehmen sollten nicht in der Lage sein, einstweilige Verfügungen zur Sperrung von Inhalten gegen Vermittler zu erwirken, ohne dass Internetnutzerinnen und -nutzer die Möglichkeit haben, ihr Recht auf Informationsfreiheit vor Gericht geltend zu machen.
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IT-Sicherheitsdienste wie Quad9 dürfen nicht in einem Land dazu gezwungen werden, ihre technischen Modelle oder Produktangebote so zu ändern, dass dies ihre Angebote über internationale Grenzen hinweg oder in anderen Rechtsordnungen beeinflusst, in denen möglicherweise entgegengesetzte Anforderungen gelten.
Wir sind der Meinung, dass diese einstweilige Verfügung unverhältnismäßig ist und Bedingungen schafft, die den wirtschaftlichen und sicherheitstechnischen Interessen des DNS-Betreibers, der Bürgerinnen und Bürger und Deutschlands sowie der EU schaden.
Auch dies sind nicht die einzigen Gründe, warum wir glauben, dass die einstweilige Verfügung aufgehoben werden sollte, aber dies sind Themen, die sowohl für die Öffentlichkeit als auch für die Mitglieder der Internet-Dienstleistungsbranche von großem Interesse sind. Für ein vollständiges Verständnis dieser und anderer Punkte lesen Sie bitte den vollständigen Text des Widerspruchs Vollständiger Text des Widerspruchs - Deutsch(Original) Vollständiger Text des Widerspruchs - Englisch(maschinell übersetzt) sowie eine Reihe häufig gestellter Fragen hier FAQ.
Warum der Fall für Sie wichtig ist
Wenn diese einstweilige Verfügung aufrechterhalten wird und Quad9 nicht obsiegt, könnte dies unserer Meinung nach eine besonders gefährliche Situation für europäische Bürgerinnen und Bürger und für in Europa tätige Unternehmen oder Organisationen schaffen, die in irgendeiner Weise an Sicherheitsdiensten für Endnutzerinnen und -nutzer oder Infrastrukturen beteiligt sind. Dieser Fall ist nicht nur für rekursive DNS-Resolver und ihre Nutzerinnen und Nutzer relevant – jeder Dienst oder jede Software, die die Möglichkeit haben, irgendeinen Teil einer Internet-Transaktion zwischen einem Endgerät und dem Ursprung eines Inhalts zu untersuchen und zu beeinflussen, sollte von dem Ergebnis betroffen sein. Webbrowser, Antiviren-Software, Firewalls, Spam-Filter, E-Mail-Clients, VPN-Anbieter und viele andere dazwischenliegende Software- und Infrastruktur-Komponenten, deren Zahl zu groß ist, um sie hier aufzuzählen, sind potenzielle nächste Ziele, da ihre Positionen den rekursiven DNS-Anbietern in Informationsflussdiagrammen sehr ähnlich sind.
Nach deutschem Recht müssen die Kosten für Abmahnungen von der abgemahnten Partei getragen werden, wenn sie der Aufforderung z.B. eines Rechteinhabers aufgrund einer formlosen Mitteilung nicht nachkommt. Wir gehen davon aus, dass viele – vor allem kleinere – Dienste einfach Sperren einführen werden, um das Risiko von Kosten oder gar Gerichtsverfahren zu vermeiden. Sollte dieser Fall für den Rechteinhaber Sony erfolgreich sein, rechnen wir damit, dass die Schleusen geöffnet werden und mehr Bescheide von Rechteinhabern verschickt werden – ob berechtigt oder nicht. Dies wird letztendlich nicht nur zu Overblocking führen, sondern stellt auch eine Gefahr für die Freiheit und Vielfalt der Meinungsäußerung dar.
Damit die Nutzerinnen und Nutzer Vertrauen in das Internet und die von den Diensteanbietern erbrachten Leistungen haben, muss Konsens über Transparenz und Fairness bei der Anwendung jeglicher Sperrungen von Inhalten bestehen. Dazu gehört insbesondere, dass rechtlicher Druck auf die Stellen ausgeübt wird, die rechtsverletzende Handlungen selbst vornehmen, und nicht auf willkürlich weit entfernte technische Intermediäre, die zur Durchsetzung der rechtlichen Ansprüche weder geeignet noch in der Lage sind.
Folgt man den in dieser Anordnung vorgebrachten Argumenten, sind den Methoden, mit denen die Unterhaltungsindustrie gegen Inhalte vorgehen könnte, die sie als rechtsverletzend betrachtet, keine offensichtlichen Grenzen gesetzt. Bürgerinnen und Bürger sollten angesichts dieser Entwicklung und der möglichen Auswirkungen auf ihre Rechte sowie des Drucks, der auf Organisationen ausgeübt wird, die sich vor den Konsequenzen solch weitreichender Urteile schützen wollen, alarmiert sein.
Aktueller Stand
Derzeit hat Quad9 einen "Hack" implementiert, um die betroffenen Websites gemäß den Anforderungen und des Zeitpunkts des Gerichtsbeschlusses zu sperren. Selbstverständlich leisten wir der einstweiligen Verfügung Folge, auch wenn wir mit dem Urteil nicht einverstanden sind. Die Sperrmethode wird nur auf unsere in Deutschland betriebenen Systeme angewandt und gilt nur für Anfragen, von denen wir annehmen, dass sie von deutschen IP-Adressen stammen. Die Quad9-Plattform wurde nicht für gezielte, länderspezifische Sperrungen konzipiert, so dass diese geografische Sperrung eine höhere Belastung für diese Systeme bedeutet. Wir haben mehr Ressourcen bereitgestellt, um die negativen Folgen der Sperrung für die Performance unseres Systems auszugleichen, aber dieser Mehraufwand geht zu Lasten unserer erklärten Ziele.
Nächste Schritte
Es mag Zufall sein, dass Quad9 der erste von Tausenden von deutschen DNS-Recursive-Resolvern war, gegen den rechtliche Schritte eingeleitet wurden, aber unser Non-Profit-Status und unsere geringe Größe machen es für uns zu einer besonderen Herausforderung, eine umfassende Rechtsverteidigung ohne externe Hilfe auf die Beine zu stellen, zumal wir davon ausgehen, dass dieser Fall nicht in dieser Instanz enden wird. Es besteht die erklärte Absicht der deutschen Unterhaltungsindustrie, die Anzahl der zu sperrenden Websites auszuweiten und Internetzugangsanbieter (und wir gehen davon aus, dass auch andere Vermittlungsdienste über kurz oder lang betroffen sein werden) im Rahmen der Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII) "freiwillig" und ohne Beteiligung von Gerichten zur Einrichtung von DNS-Sperren zu bewegen, um kostspielige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
Seitdem wir die Öffentlichkeit über die einstweilige Verfügung informiert haben, die uns Ende Juni zugestellt wurde, ermutigt uns die Unterstützung, die wir von Bürgerrechtsorganisationen, Branchenangehörigen und Einzelpersonen erhalten haben, die durch diese Nachricht motiviert wurden, mit uns zu sprechen und ihre Hilfe anzubieten.
Wir freuen uns über die bisherige Reaktion der Community und hoffen, dass wir das Bewusstsein für diesen Fall und seine Bedeutung weiter schärfen können – wir freuen uns über jede Hilfe. Besonders dankbar sind wir Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die unser großartiges Anwaltsteam mit Beratung und juristischer Expertise unterstützt und auch einen Teil der Kosten des Verfahrens übernommen hat. Unterstützung haben wir auch von eco, dem deutschen Verband der Internetwirtschaft, erhalten. Die GFF hat den Fall in ihren Worten auf ihrer Website zusammengefasst . Unser Anwaltsteam von Rickert.Law hat fleißig an dem Widerspruch gearbeitet, und wir möchten ihnen für ihre unermüdliche Arbeit und ihre exzellente Kooperation mit unseren anderen juristischen Unterstützern danken. Wir freuen uns über die große Resonanz auf unsere erste Ankündigung des Gerichtsverfahrens und darüber, dass GFF und eco zu unseren Unterstützern zählen, aber wir sind noch lange nicht am Ziel, um weiterhin so effektiv gegen das Urteil vorgehen zu können, wie es erforderlich ist.
Wie können Sie helfen?
Die Zahl der Organisationen, die wirklich die besten Interessen der Endnutzerinnen und -nutzer des Internets vertreten, ist sehr klein, und wir zählen uns zu dieser Gruppe. Wir brauchen Ihre Unterstützung in Form von Finanzmitteln, um unsere Rechtskosten zu decken und uns vor zusätzlichen Kosten zu schützen, die sich im Laufe dieses Prozesses aus verschiedenen Urteilen und Entschädigungen für das Anwaltsteam ergeben könnten. Wir haben einen überzeugenden Fall, aber wir brauchen Hilfe, um ihn zum Abschluss zu bringen und gleichzeitig die Auswirkungen auf unsere Fähigkeit, weiterhin unsere Datenschutz- und Sicherheitsdienste anzubieten, abzuwenden.
Wenn Sie eine Einzelperson sind: Quad9 ist vollständig auf das Sponsoring und die Unterstützung von Einzelpersonen und Unternehmen angewiesen, die an unsere Mission glauben und die von unserem Schutz der Endnutzerinnen und -nutzer profitieren. Wir brauchen Ressourcen, um gegen dieses Urteil anzukämpfen und unsere Aufgabe, Endnutzerinnen und -nutzern Sicherheit und Datenschutz zu bieten, fortzusetzen. Wir freuen uns über Ihre Kommentare in sozialen Medien, um das Bewusstsein für dieses Verfahren zu schärfen und eine gesittete Diskussion über dieses Thema zu führen.
Bitte helfen Sie, indem Sie hier spenden.
Wenn Sie zu einem Unternehmen gehören: Wir kommunizieren mit anderen Unternehmen aus verwandten Branchen, die ein Interesse an diesem Urteil haben. Wenn Sie ein Unternehmen vertreten, dessen Geschäft gefährdet ist oder dessen Endnutzerinnen und -nutzer als nächstes von ungewollter Inhaltsfilterung betroffen sein könnten, sind wir daran interessiert, Unterstützungsschreiben zu sammeln. Dies hat vielleicht keinen direkten Einfluss auf das Gerichtsverfahren, aber wir hoffen, dass die Sichtbarkeit des Falls und die Besorgnis der Industrie in Deutschland und weltweit von der Politik wahrgenommen wird, in der Hoffnung, dass eine klarere Haftungsabgrenzung vorgenommen werden kann, um das freie Internet vor ungerechtfertigter und unwirksamer Zensur zu schützen. Siehe zur Seite mit den Unterstützungsbekundungen für Einzelheiten darüber, wie Quad9 mit anderen Organisationen in verwandten Sektoren zusammenarbeiten möchte, um Unterstützungsbekundungen und operative Unterstützung zu sammeln. Verbündete und Finanzmittel sind entscheidend, und Spenden oder Unterstützung können gut investierte Zeit oder gut investiertes Kapital sein, wenn Ihr Unternehmen durch dieses Urteil gefährdet ist.
Häufig gestellte Fragen zu diesem Fall
Vollständiger Text des Widerspruchs - Deutsch (Original)
Vollständiger Text des Widerspruchs PDF - Englisch- maschinell übersetzt