Quad9 gewinnt das Berufungsverfahren beim OLG Dresden
Der heutige Tag ist ein positiver Moment in unseren Bemühungen um die Erhaltung des Internets als neutrale und vertrauenswürdige Ressource für alle.
Das Oberlandesgericht Dresden hat heute entschieden, dass die Berufung in unserem Fall gegen Sony Entertainment (Deutschland) erfolgreich war. Das Gericht hat klar und unmissverständlich zu Gunsten von Quad9 entschieden. Der Text des Gerichtsurteils ist hier auf Deutsch und auf Englisch verfügbar.
Wir freuen uns natürlich sehr über diese Nachricht.
Hintergrund
Sony Entertainment (Deutschland) leitete vor mehr als zwei Jahren ein Gerichtsverfahren gegen Quad9 ein, um Quad9 zu zwingen, die Auflösung bestimmter Domainnamen zu unterlassen, von denen sie behauptete, dass sie an Urheberrechtsverletzungen beteiligt seien.
Wir glauben, dass diese Klage ein Versuch war, einen Präzedenzfall zu schaffen, der es kommerziellen Rechteinhabern ermöglicht, die Unzugänglichkeit von Websites im Internet zu verlangen, indem rekursive Resolver gezwungen werden, Inhalte zu blockieren. Wir argumentierten, dass rekursive Resolver keine kommerzielle oder auch nur indirekte Beziehung zu einer der rechtsverletzenden Parteien haben, und dass Sonys Forderung nach Sperrung unwirksam, unzureichend spezifiziert und nicht auf Quad9 bezogen war.
Was den Fall aus unserer Sicht noch problematischer machte, war die Tatsache, dass sich die fraglichen Server nicht in Deutschland befanden und die Links, auf die sie verwiesen, sich auf Servern befanden, die sich ebenfalls nicht in Deutschland befanden. Der Domainname (canna.to) war nicht in Deutschland registriert und befand sich unter der von der Nation Tonga betriebenen Top-Level-Domain. Sony Entertainment argumentierte weiter, dass die Domains weltweit und nicht nur in Deutschland gesperrt werden müssen, da die GEO-IP nicht mit absoluter Sicherheit den Zugang für in Deutschland ansässige Nutzer sperre. Außerdem hat Quad9 weder ein Büro noch eine Niederlassung in Deutschland (wir sind ein Schweizer Unternehmen), aber aufgrund des Lugano-Übereinkommens konnte Sony eine Unterlassungsklage in der Schweiz zustellen und Quad9 in ein Gerichtsverfahren verwickeln.
Details zum Urteil
Die Berufung vor dem Oberlandesgericht Dresden folgt auf ein Urteil des Landgerichts Leipzig, in dem Sony Recht bekam und Quad9 als Täter verurteilt wurde. Zuvor hatte Sony vor dem Landgericht Hamburg erfolgreich eine einstweilige Verfügung gegen Quad9 erwirkt. Der Widerspruch von Quad9 gegen die einstweilige Verfügung blieb erfolglos und die Berufung vor dem Oberlandesgericht Hamburg wurde von Quad9 zurückgenommen, da eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren vor Abschluss des Berufungsverfahrens im Vorverfahren erwartet wurde.
Nachfolgend finden Sie eine tabellarische Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Dresdner Entscheidung. Weitere Informationen zu diesen Punkten finden Sie hier.
Leipzig | Dresden | Ergebnis |
---|---|---|
Die Erweiterung des Antrags auf „und/oder die andere(n) Domain(s)“ ist in Ordnung. | Der Antragsteil „und/oder die andere(n) Domäne(n)" ist zu unspezifisch“. | Gewonnen |
Der DNS-Resolver spielt eine „zentrale Rolle" bei der Veröffentlichung des urheberrechtlich geschützten Inhalts, was zu einer Haftung als Täter führt. | Keine Haftung als Verursacher: DNS-Resolver spielt keine „zentrale Rolle“. | Gewonnen |
Keine Störerhaftung, da Quad9 als Täter haftet | Keine Störerhaftung | Gewonnen |
Keine Haftungsprivilegierung, da Betreiber von DNS-Resolvern keine Diensteanbieter im Sinne des Telemediengesetz sind. | DNS-Resolver-Betreiber sind als Zugangsvermittler haftungsprivilegiert. | Gewonnen |
Kriterien der Subsidiarität sind erfüllt. | Kriterien der Subsidiarität sind nicht erfüllt: Sony hat nicht genug getan, um gegen den Hosting-Provider vorzugehen. | Gewonnen |
Auch wenn das Oberlandesgericht Dresden die Revision nicht zugelassen hat, kann eine Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt werden, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde von Sony erfolgreich ist. Es bleibt abzuwarten, ob Sony eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen wird und ob diese erfolgreich sein wird.
Wir möchten klarstellen, dass, obwohl Quad9 als reiner Durchleitungsdienst von den Haftungsprivilegien profitiert, es möglich ist, dass ein DNS-Resolver-Betreiber als letztes Mittel zur Sperrung verpflichtet werden kann, wenn die klagende Partei angemessene Maßnahmen ergriffen hat, um den Rechtsverletzer und das Hosting-Unternehmen erfolglos in Anspruch zu nehmen. Eine solche Maßnahme könnte die Beantragung einer einstweiligen Verfügung gegen einen Hosting-Provider mit Sitz in der EU darstellen. Unsicherheiten bleiben jedoch bestehen, und wir gehen davon aus, dass die Frage, unter welchen Umständen welche Partei welche Maßnahmen ergreifen muss, wird in den kommenden Jahren weiterhin vor Gerichten und in politischen Kreisen diskutiert werden.
Wir sind nach wie vor der Meinung, dass die Löschung eines Domainnamens keine Maßnahme ist, die aus kommerziellen Gründen verboten werden sollte. Das DNS enthält keine Inhalte - es ist ein System, das ausschließlich für die Bereitstellung von Zugängen und nicht für den Transport von Daten konzipiert wurde.
Das OLG Köln hat jüngst zugunsten von Cloudflare in einem vergleichbaren Fall entschieden, der rekursive DNS Auflösung betraf, obwohl der Fall komplexer ist, da er noch weitere Fragestellungen bezüglich CDN und Proxy Services umfasste. Wir freuen uns daher, dass uns nun eindeutige und übereinstimmende Ausführungen von beiden Gerichten in der Frage der rekursiven DNS Auflösung vorliegen.
Der heutige Tag ist ein wichtiger Sieg in Deutschland, aber es gab auch eine Enttäuschung. Wir haben eine Mitteilung von einem Konsortium italienischer Rechteinhaber (Sony Music Italy, Universal Music Italy, Warner Music Italy und Federation of Italian Music Industry) erhalten, in der Quad9 aufgefordert wird, Domains in Italien zu sperren. Wir haben dazu einen Blog-Beitrag verfasst, der ebenfalls heute veröffentlicht wurde.
Engriffene Massnahmen
Quad9 hat die Sperren für alle Domains aufgehoben, die zuvor von Sony festgestellt und in den vorherigen Instanzen festgestellt wurden. Diese Domains sind unten aufgeführt. Derzeit sind keine Domains in Deutschland oder anderswo im Zusammenhang mit diesem Fall gesperrt.
Dank an Alle, die an Uns un an unsere Rechte Geglaubt haben
Wir möchten uns bei Hunderten von Unterstützern für ihre finanzielle Hilfe, ihren Rat und ihre Bereitschaft bedanken, sich öffentlich zu äußern - in sozialen Medien, Blogs und in der Branche. Unser besonderer Dank gilt unserem Anwaltsteam von Rickert.law – Rechtsanwalt Thomas Rickert und Rechtsanwältin Sandra Schulte – für ihren unermüdlichen Einsatz, diesen Fall zu gewinnen. Wir möchten uns auch bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) für ihre Rechtsberatung, die kontinuierliche Beratung in deutschen Medienfragen und die Zusammenarbeit mit unserem Rechtsteam und der Geschäftsführung bedanken. Wir danken auch der Kahle Austin Family Foundation und der Stiftung Mercator Schweiz sowie dem eco Verband der Internetwirtschaft e.V. für die Unterstützung.
An alle, die für Quad9 gespendet haben: Indem Sie uns geholfen haben, haben Sie auch sich selbst geholfen. Wir sind uns bewusst, dass die Zensur im Internet nicht aufhören wird zu wachsen und dass unbedeutende und unangemessene Eingriffe in die digitale Souveränität, die nicht angefochten werden, letztendlich zu einer ernsthaften Unterdrückung von Ideen führen, die den Nutzern viel näher stehen. Diese Grenzen werden ständig getestet, und wir haben diese Runde gewonnen. Sie haben verhindert, dass die Grenzlinien näher an Sie heranrücken - herzlichen Glückwunsch!
Quad9 ist eine gemeinnützige Organisation, und die Kosten für Rechtsstreitigkeiten sind eine schwere Bürde, die uns daran hindert, das Netzwerk so schnell zu entwickeln, wie wir es brauchen. Wir werden auch in den nächsten Phasen unserer Verteidigung des DNS auf diese Hilfe angewiesen sein. Bitte denken Sie über eine Spende nach - jeder Euro zählt, während wir weiter für die Nutzung des DNS kämpfen. Vielen Dank für Ihre Unterstützung!
Unabhängig davon, ob wir in diesem Fall Recht bekommen oder nicht, waren die Kosten für Quad9 sehr hoch, sowohl finanziell als auch in Bezug auf die Zeit und die Aufmerksamkeit. Wenn Sie der Meinung sind, dass wir Ihnen mit diesem Gerichtsverfahren einen Dienst erwiesen haben, erwägen Sie bitte eine Spende an Quad9, damit wir den Rückstand aufholen können, den wir mit anderen Kosten im Zusammenhang mit unserer laufenden Tätigkeit aufholen müssen.
Dokumente / Weiterführende Lektüre / Details
Die Originaldokumente zum Fall finden Sie hier.
Eine maschinell übersetzte englische Version finden Sie hier. Bitte beachten Sie, dass die englische Version nicht immer exakt ist und Sie sich auf das deutsche Original beziehen sollten.
Zusätzlich zum Urteil des Oberlandesgerichts Dresden hat Rickert.law die Argumente in spezifischere Erörterungen zu verschiedenen Punkten unterteilt, die für Leser von Interesse sein können, die ein vollständigeres Verständnis der rechtlichen Fragen, der Geschichte des Falles oder des Urteils wünschen. Die deutsche Version finden Sie hier, die englische Version hier.
Liste der jetzt freigeschalteten Domains: canna.to
, www.canna.to
, uu.canna.to
, www.uu.canna.to
, canna-power.to
, www.canna-power.to